Erst Corona, jetzt Energiekrise: Hatten die Skigebiete in den letzten Jahren mit Maskenpflicht, Einreiseregeln und Lockdowns zu kämpfen, steht die Branche angesichts der aktuellen Energiekrise in der Wintersaison 2022/2023 bereits vor der nächsten Herausforderung. Wie Bergbahnen, Touristiker und Skiverbände mit der Situation umgehen und wie sie sich auf den Winter vorbereiten, war Thema beim „Dein Winter. Dein Sport. Summit 2022“ in Berchtesgaden.
Länderübergreifendes Branchentreffen
Unter dem Motto „Sport meets Winter – Gemeinsam. Nachhaltig. In die Zukunft.“ kamen am 6. und 7. Oktober 2022 zahlreiche Vertreter der Wintersportbranche in Berchtesgaden zusammen, um über Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und die Herausforderungen angesichts der aktuellen globalen Situation zu diskutieren.
Unter den rund 250 Teilnehmern waren neben Sportgrößen wie Felix Neureuther, Viktoria Rebensburg und Fritz Dopfer auch Vertreter der Seilbahnen, Tourismusverbände und des Sportfachhandels sowie aus der Wissenschaft. Veranstaltet wurde der Summit von der verbands- und länderübergreifenden Initiative „Dein Winter. Dein Sport.“ Auch wir von Skigebiete-Test waren vor Ort.
Mehr Infos zum Summit und den Teilnehmern findest du auf der Seite von Dein Winter.Dein Sport.
Energieverbrauch im Winterurlaub
Ein zentrales Thema des Kongresses war der Umgang mit der Energiekrise und wie Energie im Wintersport gespart werden kann. Dazu verschaffte Prof. Dr. Ralf Roth vom Institut für Outdoor Sport und Umweltforschung der Deutschen Sporthochschule Köln zunächst einmal einen Einblick, wie viel Energie im Winterurlaub verbraucht wird.
Der Energieverbrauch für einen „Skier Day“ liege im Durchschnitt bei ca. 16 kWh pro Person. Das entspricht in etwa dem Verbrauch eines Mittelklassewagens auf einer Strecke von 22 Kilometern. Laut Prof. Dr. Roth machen die Aktivitäten am Berg jedoch nur knapp 20 Prozent des Energiebedarfs eines Skier Days aus. Etwa 80 bis 90 Prozent der Energie entfallen auf die individuelle Anreise und Übernachtung. Auch Valentin König vom Schweizer Seilbahnverband betonte, dass die Bergbahnen nur rund 0,3 Prozent des Schweizer Energiebrauchs ausmachen.
Energiesparmaßnahmen der Skigebiete
Nichtsdestotrotz versuchen sowohl die Bergbahnen als auch die Verbände Energie einzusparen, wo es möglich sei. Dazu werden auch externe Experten zurate gezogen. Um bei den Trainings- und Wettkampfstätten des Deutschen Skivereins zu sparen, arbeitet der DSV zum Beispiel mit den Energie-Experten der Firma Etanomics Service zusammen, die vor Ort nach Einsparpotenzialen in sämtlichen Bereichen des Betriebs suchen - von der Heizung der Räume bis hin zu einer nachhaltigen TV-Übertragung.
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Ein ressourcenintensiver Faktor sei etwa die Schneeproduktion, erklärte Manuel Fath der Etanomics Service GmbH. Hier könne eine vorausschauende Produktion Energie sparen.
In Südtirol denke man zudem über eine Einschränkung des Angebots an Fun- und Snowparks nach, so Dr. Helmut Sartori, Präsident des Verbands der Seilbahnunternehmer Südtirols. Vor allem aber wolle man in den nächsten Wochen einen einheitlichen Weg für die Skigebiete finden.
Häufig seien es aber auch Kleinigkeiten, die unnötig Energie kosten, so die Podiumsteilnehmer. Genannt wurden hier zum Beispiel Dachrinnen-Heizungen, die das ganze Jahr über laufen, Umkleideräume, die auch im Sommer beheizt werden oder Bergstationen und Werbeflächen, die nachts beleuchtet sind. An diesen Stellen ließe sich problemlos Energie einsparen, ohne dass die Gäste große Einschränkungen bemerken.
Die Bergbahn-Vertreter gehen davon aus, dass sie im kommenden Winter durch ihre Sparmaßnahmen den Energieverbrauch um rund 10 Prozent reduzieren, den Gästen aber auch weiterhin eine hohe Qualität bieten können.
Umweltfreundliche Anreise
Doch auch die Gäste selbst können ihren Beitrag leisten. Immerhin entfällt der größte Teil des Energieverbrauchs im Urlaub auf die Anreise. Aktuell reisen etwa 98 Prozent individual zum Skiurlaub an, so Dr. Thomas Kemper von der DB Fernverkehr AG. Umso wichtiger sei es, alternative Reisemöglichkeiten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bus und Bahn attraktiver zu gestalten.
Ein Schritt in diese Richtung ist die neue Mobilitätsplattform Winterrail.eu. In Kooperation mit dem Netzwerk von Dein Winter. Dein Sport. stellen Skigebiete und Tourismusregionen gemeinsam mit der Deutschen Bahn, ÖBB und SBB alle wichtigen Infos rund um das Thema "Anreise mit der Bahn" zur Verfügung. Zu finden sind dort nicht nur Tickets und Zugverbindungen in die Skiregionen, sondern auch Infos zur weiteren Mobilität vor Ort wie ÖPNV, Taxiunternehmen oder Shuttleservices.
Nachhaltigkeit auch im Wintersport immer wichtiger
Dass es letzten Endes beim Energiesparen nicht (nur) um den eigenen Geldbeutel, sondern um den Klimaschutz geht, betonte Gudrun Mühlbacher, Leiterin des Regionalen Klimabüros des Deutschen Wetterdienstes. Gerade im Wintersport, der stark von den klimatischen Bedingungen und eben von Schnee abhängig ist, spielt Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Deshalb sei die Motivation, dem Klimawandel entgegenzuwirken bei den Beteiligten groß, erklärte Manuel Fath. Auch Prof. Dr. Ralf Roth ist überzeugt, dass Wintersportler durch ihre hohe Affinität zu den Bergen bereits eine größere Offenheit gegenüber nachhaltigen Themen zeigen.
„Das Thema Energie ist nicht erst seit gestern auf der Agenda“, bemerkte Matthias Stauch von der Bayerischen Zugspitzbahn, der zugleich Vorsitzender Vorstand des Verbands Deutscher Seilbahnen ist. Es sei aber durch die steigenden Energiepreise nun stärker in den Fokus gerückt. Als Maßnahmen, die bereits in den vergangenen Jahren umgesetzt wurden, nannte er unter anderem effiziente Beschneiungspläne, das Schieben von Schneedepots zum Schutz der Gletscher sowie Pistenraupen, die mit umweltfreundlicheren Kraftstoffen betrieben werden.
Ein weiteres Thema des Summits war die Frage, wie Wintersport angesichts der steigenden Preise auch in Zukunft finanzierbar bleibt. >> Zum Artikel: Steigende Preise: Ist der Skiurlaub noch bezahlbar?